Meine Straße: Die Habichtstraße

Die Habichtstraße ist zwar nur eine von 5.254 Straßen in Köln – aber für SÜDBLICK-Leser Peter J. Bach etwas ganz Besonderes. Für Ortsunkundige kann die Fahrt durchaus unvermittelt an zwei mächtigen Pollern enden. Doch am anderen Ende der Straße findet der Kundige sogar Lamas.

Besuchern der Habichtstraße in Rondorf, die sich mit Hilfe ihres GPS-Geräts führen lassen, kann es passieren, dass sie „verführt“ werden. Denn die Habichtstraße hat einen blinddarmähnlichen Fortsatz, der nicht für Autos ausgebaut ist und von der Rodenkirchener Straße kommend vor zwei Pollern endet, die die Durchfahrt zu dem anderen Teil der Habichtstraße verhindern. Der durchgängige Weg zur Habichtstraße führt korrekt über die Reiherstraße und den richtigen Weg erkennt man an dem Hinweis- Schild: Achtung Sackgasse – keine Wendemöglichkeit!

Und tatsächlich endet die Habichtstraße abrupt an einem Zaun. Dahinter ist Wiese, mal mit natürlich frei wachsendem Gras, mal gemäht, und immer wieder auch die Aufgabe erfüllend, Tieren eine Weide zu sein. Das abrupte Ende der Straße erinnert an die Planung der neuen Siedlung, die durch den Verkauf der landwirtschaftlichen Nutzfläche an den Immobilieninvestor Otto Aue Ende der Siebzigerjahre mit 15 Reihenhäusern begann. Als die ersten Häuser bezogen wurden, gab es keine gebaute Straße, sondern nur einen festgefahrenen Ackerweg, der bei Regen zur Freude der Kinder zu einer herrlichen Matsch-Spielstraße wurde.

Nach einiger, für die Anwohnerkinder kurzweiligen Zeit baute die Stadt eine geteerte Straße mit Bürgersteigen und die Ordnung kehrte in die Habichtstraße ein – und endet am Sackgassenzaun.

Anfänglich tummelten sich hinter diesem Zaun die Schweine und gaben uns Städtern das Gefühl der ländlichen Idylle, was den Umzug in ein Eigenheim zusätzlich versüßte. Es waren für uns schon damals „freilaufende“ Schweine, die fast täglich aus ihrem Stall hinaus durften und so an das traditionelle „Sau rauslassen“ erinnerten.

Auch eine große Muttersau war dabei, die zu unserem Leidwesen das Besteigen des herbeigebrachten Ebers mit Knochenbruch bezahlen musste und mit dem Traktor des freundlichen Bauern August Füssenich abtransportiert wurde. Noch heute, 40 Jahre später, erfreuen wir uns an der bäuerlichen Nachbarschaft. Jahrelang bevölkerten im Frühjahr Junggänse die Wiese und schnatterten lustig in großer Gemeinschaft durch das Jahr, bis auch sie die alljährlich wiederkehrende Gänsebraten-Saison im November hinraffte. Inzwischen wird die Grasfläche von wechselnden Grasfressern besiedelt und führt zu regelmäßigen Besuchern der Habichtstraße, die Ihren Kindern die hier noch existierende Ländlichkeit des ehemaligen Dorfes Rondorf zeigen.

In letzter Zeit waren neben Schafböcken, die zur koscheren Schlachtung bestimmt, zwischendurch friedlich weiden durften, auch Lamas zu sehen. Stumm und ratlos schauten sich diese Tiere aus den Anden um und fragten sich vielleicht, wie es mit der Wiese am Ende der Habichtstraße wohl weitergehen wird. Kommt die Verlängerung zur Hahnenstraße und damit das Ende der Sackgasse oder darf die Beschaulichkeit einer Straße, die noch keine Durchgangsstraße ist, ihren Dornröschenschlaf weiter genießen?

Historisch gesehen wurde der anfängliche Siedlungskomplex durch den Straßenbau getrennt. Die etwas höher gelegenen Häuser, deshalb auch scherzhaft „Oberdorf“ genannt, liegen heute an der Reiherstraße. Erst Anfang der achtziger Jahre kam die Reihenhauszeile an der Ostseite der Habichtstraße hinzu. Aufgrund der Himmelsausrichtung der Vorgärten nach Südwesten entstanden lauschige Plätze in der Abendsonne vor der Haustüre und ermöglichten eine freundliche Kommunikation unter den Anwohnern.

Dies führte zu einer Gemeinschaft, deren Dynamik anfänglich zu spontan organisierten Straßenfesten führte. Mit den Jahren wurde das Straßenfest immer perfekter und professioneller bis hin zu Bierstand und Grillstation (nur ohne Toilettenhäuschen, da jeder nach Hause gehen konnte). Am Ende kam sogar der Spielmannszug Blau-Weiß Rondorf und brachte ein Ständchen. 

Heute sind wir Habichtsträßler der ersten Stunde älter geworden, einige haben uns verlassen, einige sind weggezogen und andere sind dazugekommen. Die Kinder der Gründergeneration besuchen jetzt ihre Eltern, die noch in dem Zuhause ihrer eigenen Kindheit wohnen. Es ist ruhiger geworden, der Generationenwechsel vollzieht sich langsam. Und so freut es umso mehr, dass durch Zuzug und durch die Enkelkinder der Gründergeneration wieder Kinder die Sackgasse beleben. Deshalb: Achtung an alle Autofahrer, die am Montagnachmittag am Ende der Straße wenden wollen oder einen Parkplatz für einen Einkauf suchen, denn dann ist die Habichtstraße durch mobile Poller zur Spiel-Straße für die Kinder der Kinder umfunktioniert und wird zu allerlei Spielstraßenaktivitäten genutzt. Doch auch zu anderen Zeiten bitten wir die Autofahrer, nicht in die Habichtstraße zu rasen, auch wenn sie ihr GPS diesmal richtig geführt hat.

Damit das Leben in der Habichtstraße munter weitergehen kann.

In jeder SÜDBLICK-Ausgabe stellt ein Bürger ganz persönlich „seine“ Straße vor, in der er lebt. Wollen Sie Ihrer Straße auch eine charmante Liebeserklärung schreiben oder einmal loswerden, was Sie dort so richtig nervt? Schreiben Sie an: newsletter@dorfgemeinschaft.koeln

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